Das war der Startup Tag der Social Media Week
Dienstag ist Startup Tag – jedenfalls während der Social Media Week und im Betahaus. Zum dritten Mal lud Hamburg Startups zu Gesprächrunden und Workshops ein, und auch andere Veranstalter hatten einiges zu bieten. Ein Zusammenfassung sämtlicher Ereignisse ist da unmöglich, aber mehr, als unter dem Hashtag #StartUpDay in einen Tweet passt, können wir hier schon bieten.
Startup Tage können lang sein, viel zu lang manchmal, wie später noch zu berichten sein wird. Trotzdem hatte es sich gelohnt, am 23. Februar bereits zum Auftakt um neun Uhr morgens im Betahaus eingetrudelt zu sein, denn da stellte Hamburg Startups-Mitgründerin Sina Gritzuhn die Ergebnisse der ersten Studie zum Startup Monitor vor (ein ausführlicher Bericht dazu hier).
Auf die IT kommt es an
Wer sich dadurch animiert fühlte, so schnell wie möglich selbst ein Startup zu gründen, bekam noch den ganzen Tag jede Menge Tipps dafür. Zum Beispiel von Thomas Ochmann, dem Inhaber und Geschäftsführer der AKRA GmbH. Die realisiert seit 1999 Software- und Beratungsprojekte, und so stand sein Beitrag unter der Überschrift „IT-Umsetzung von Startup-Ideen“. Zuerst muss natürlich geklärt werden, was überhaupt programmiert werden soll: eine App, eine Webseite, eine ganze Software as a Service-Lösung? Auch gibt es für unterschiedliche Zielgruppen (B2B, B2C) und Branchen jeweils unterschiedliche Webdesigns.

Thomas Ochmann
Ist das geklärt, beginnt die Suche nach dem richtigen Personal für die Umsetzung. Ochmanns Tipp: lieber ein gutes Team als den einsamen Wolf wählen, auch wenn der vermeintlich Superkräfte hat. Da Kommunikation zwischen Gründern und ITlern eine entscheidende Rolle spielt, sollte dieses Team am besten vor Ort oder zumindest regelmäßig greifbar sein. Und eine agile Herangehensweise wählen, also besser kleine Schritte machen, die man jederzeit korrigieren kann, statt von Beginn an den ganz großen Wurf zu planen, der dann in die völlig falsche Richtung geht. Denn eins ist klar: So gut wie nichts läuft so, wie man es sich anfangs vorstellt, das gilt auch für den IT-Bereich. Aber ohne Risiko gibts keinen Erfolg, und mit einem funktierenden Team wird der sehr viel wahrscheinlicher.
Das Steuer 1×1 von BEST AUDIT für Gründer
Hat ein Startup diesen Erfolg, freut sich auch das Finanzamt. Was es beim Thema Steuern alles zu beachten gibt, darüber konnte Ulrich Bitting, Gründer und Managing Partner von BEST AUDIT, einen Vortrag halten. Klingt langweilig, ist es aber für die Startup-Szene offensichtlich ganz und gar nicht, wie die vielen Zwischenfragen aus dem Publikum belegten, weshalb Bitting seinen Beitrag gar nicht vollständig über die Bühne bringen konnte. Normalerweise dauert der aber auch vier Stunden.

Ulrich Britting
Unmöglich also, hier von dieser Kurzfassung eine angemessene Kurzfassung zu präsentieren. Zum Glück gibt es die Möglichkeit, sich die Slides zum Vortrag weiter unten anzuschauen. Am Anfang steht das Thema Umsatzsteuer, mit dem sich Startups garantiert auseinandersetzen müssen, auch wenn noch so gut wie keine Umsätze erzielt werden.
Viele Nachfragen gab es zu Freelancern und wie diese arbeits- und steuerrechtlich zu behandeln seien. Lohnsteuer ist auch so eine Sache; regelmäßige Sachleistungen sind lohnsteuerpflichtig. Die Rede war von einem Berliner Startup, dass für seine Mitarbeiter in vier Monaten 30.000 Euro für Essen ausgegeben hatte. Auch das sind Sachleistungen. Und wie reagiert das Finanzamt, wenn mal was nicht beachtet wurde? „Es kommt darauf an“, ist ultimative Antwort, denn Finanzbeamte sind auch nur Menschen und legen die Vorschriften mal mehr und mal weniger streng aus.
Bekenntnis zum Burnout – ein mutiger Auftritt!
Wie gesagt, Startup Tage können lang sein, aber 20 Arbeitsstunden lang, jeden Tag? Bei Yusuf Temur war das 2008 der Fall. Seine Firma Best Versand lief gut, aber es kann doch immer noch besser laufen, und Yusuf gehörte zu der Sorte, die glaubt, sich um alles kümmern zu müssen. Bis 4 Uhr arbeiten, zwei Stunden schlafen, dann wieder ins Büro – für ihn normal, auch wenn die Kräfte immer mehr nachließen.
Dann eines morgens der Schock. Er saß im Auto, wusste nicht mehr den Weg ins Büro, ja wusste nicht einmal mehr den Weg zurück zur Wohnung – Burnout! „Ich war mir sicher, mein Kopf platzt!“, erzählt er. Drei Jahre brauchte er, bis er sich vollständig regeneriert hatte. Heute lässt er es ruhiger und überlegter angehen und hat Geschäftspartner, die ihn entlasten.

Nicole Willnow, Sanja Stankovic, Yusef Temur, Friederike Müller
Was tun, damit man gar nicht erst in eine solche Situation gerät? „Resilienz entwickeln“, rät Nicole Willnow, die sich als Coach intensiv mit dem Thema beschäftigt. Resilienz ist eine Widerstandskraft, die sich erlernen lässt und hilft, Stress besser zu verarbeiten oder gar nicht erst aufkommen zu lassen. Ausgleich durch Familie und andere private Netzwerke, vermeintliche äußere Zwänge abschütteln und sich ein Erfolgsteam als Vorbild zu suchen – das macht das zweillos oft harte Startup-Leben leichter.
Friederike Müller, eine der Gründerinnen von healinda, einer Plattform für alternative Medizin, weiß aus Erfahrung, dass sich agile Konzepte, die bei der Softwareentwicklung eingesetzt werden, im Prinzip auch bei anderen Arbeitsprozessen nützen. Visualisierung hilft, Aufgabenteilung auch, und der Abschied von der Einschätzung „Das kann nur ich und das muss sofort!“ Gerade wenn es eng zu werden scheint, lieber mal für ein bis zwei Stunden an die frische Luft. Und falls es doch zur Krise kommt, offen damit umgehen, rät Yusuf.
Viele haben Angst davor, weil Investoren verschreckt werden könnten, und bringen deshalb nicht seinen Mut auf, über den Burnout zu reden. Diese Erfahrung habe er aber nicht gemacht. (Mehr zum Thema Stressbewältigung gibt es im Blog von Hamburg Startups hier und hier).
Alles, was Recht ist
Um ein ernstes gesundheitliches Problem, nämlich Herz-Kreislauf-Versagen, ging es auch im nächsten Workshop, allerdings im übertragenen Sinn. Ähnlich wie Steuerfragen gehören juristische Probleme zu den Dingen, mit denen man sich lieber nicht beschäftigen möchte – was ein fataler Fehler wäre, wie die Anwältin Nina Diercks mit dem Eingangsvergleich drastisch verdeutlichte.
Wer nicht gerade ein extrem simples Geschäftsmodell hat, sollte sich beispielsweise keine AGBs von der Stange besorgen, sondern lieber etwas mehr in eine wasserdichte Individuallösung investieren. Auch beim Impressum muss alles stimmen, und bei den Datenschutzvereinbarungen sowieso, sonst kann es richtig teuer werden.

Rechtsanwältin Nina Diercks und Sanja Stankovic
Wenn dann die neue Datenschutz-Grundverordnung der EU irgendwann in Kraft tritt, könnte alles sogar noch erheblich teurer werden, vor allem für US-Unternehmen. Oder aber der Datenschutz werde geschwächt, je nachdem, welchen Bedenkenträger man gerade fragt, aber das gehört hier nicht her. Genauso wenig wie eine fundierte Rechtsberatung, dafür gibt es schließlich Anwälte. Eine Erstberatung kostet 250 Euro, alles weitere steht dann in Kostenvoranschlägen. „Es kommt darauf an“ gilt auch für den Preis, den ein Startup für eine juristische Absicherung zahlen muss. Und manchmal wohl ebenso für die Auslegung von Gesetzen.
Startups meet Corporates – ein Panel
Steuerfragen, Gesundheitsprobleme, rechtliche Fallstricke – will da überhaupt noch jemand gründen? Klar doch, ganz viele sogar, und auch immer mehr etablierte Unternehmen, Neudeutsch „Corporates“, interessieren sich für Startups. Robert Beddies, Co-Geschäftsführer des betahauses, fühlt sich manchmal wie ein Zoodirektor, wenn er Old Economy-Protagonisten durch das Haus führt. Seinen eigenen Zoo hält sich das Verlagshaus Gruner + Jahr mit dem Greenhouse, berichtet dessen Managing Director Jens Uehlecke. Dort kommen Menschen aus dem Unternehmen mit innovativen Ideen zusammen mit Externen, um gemeinsam Neues zu entwickeln.

vordere Reihe: Peter Sorowka, Robert Beddies; hintere Reihe: Sanja Stankovic, Niels Neumann, Jens Uehlecke
Viele Coroprates haben inzwischen in der einen oder anderen Form Startup-Projekte ins Leben gerufen. Solche Acceleratoren können durchaus hilfreich sein, wenn sie gut vorbereitet und organisiert sind. Die Erfahrung hat Peter Sorowka gemacht, Mitgründer von Cybus. Sein Startup hat viel mit Industrieunternehmen zu tun, denn Cybus entwickelt Lösungen für die Maschinenkommunikation. Sein Learning: Veränderungen behutsam durchsetzen, manche fühlen sich sonst auf den Schlips getreten.
Auch an den Hochschulen mahlen die Mühlen zuweilen etwas langsam. Nicht so an der TU Harburg und bei der ihr angegliederten TuTech Innovation GmbH. Deren Startup-Consultant Niels Neumann berichtete von Projekten, die bei Corporates in eine Sackgasse geraten waren und bei TuTech weiterentwickelt wurden. „Das Scheitern wird zu uns ausgelagert“, war sein Kommentar dazu, aber auch Scheitern gehört zur Startup-Welt und ist längst nicht die Regel. Am Ende waren sich sowieso alle einig: Corporates werden sich weiter annähern und voneinander profitieren.

Beim Mixer gab wie immer gute Gespräche und Getränke.
Dann war er geschafft, der lange Startup Tag, auch für Hamburg Startups-Mitgründerin Sanja Stankovic, die deshalb auf einigen Bildern zu sehen ist, weil sie bei fast allen beschriebenen Veranstaltungen als Moderatorin und Interviewerin aktiv war – und in der Vorbereitung sowieso. Darf ruhig auch mal gesagt werden. Feierabend also, und das im wahrsten Sinne des Wortes.
Beim Abschließenden Mixer ging es locker und gesellig zu, nicht zuletzt dank der Sponsoren AKRA und Best Audit. Und eins haben sich alle vorgenommen: Das soll nicht der letzte Startup Tag gewesen sein!
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