Aidocr lässt mit Gebäuden sprechen
Die Planung und Verwaltung von Gebäuden ist eine komplizierte Angelegenheit. Wäre es da nicht wunderbar, auf ganz einfache Weise mit ihnen kommunizieren zu können? Das Startup Aidocr verspricht, genau das mithilfe künstlicher Intelligenz möglich zu machen.
Es begann an einer Tankstelle
Startup-Geschichten beginnen normalerweise nicht auf einer Tankstelle im Hamburger Stadtteil Großhansdorf, aber die von Aidocr schon. Eines Tages stand dort Robert Schöne in der Schlange an der Kasse und führte ein Telefongespräch, bei dem es um die Unzulänglichkeiten bei der Anwendung von künstlicher Intelligenz (KI) ging. Kurz darauf wurde er von Christoph Wartmann darauf angesprochen. Der erklärte, er habe zufällig bei dem Gespräch mitgehört und eventuell eine Lösung für das Problem. Die beiden Männer verabredeten sich zum Sushi und stellten dabei fest, dass sie gut zusammenpassten und dabei sich ergänzende Kompetenzen einbringen konnten.
Robert hat zunächst eine Ausbildung beim Rüstungskonzern Rheinmetall abgeschlossen und ist dann auf Digitalmarketing umgestiegen. Er ordnet sich selbst als analytischer Beobachter ein, den Neugier und Interesse an technologischen Innovationen vorantreibt. Er hat eine Reihe von Fortbildungen absolviert, von denen sich eine große Menge an Unterlagen angesammelt hat, die weitgehend ungenutzt bleibt. Robert wollte nun mit KI dort Ordnung hineinbringen und wesentliche Informationen extrahieren, kam aber zu keinem befriedigenden Ergebnis.

Christoph hatte sich mit einem ähnlichen Problem schon länger auseinandergesetzt. Seit Jahrzehnten beschäftigt er sich mit Digitalthemen. Sein größter Erfolg war die Gründung von Nexxiot, einem Unternehmen, das Sensoren und die dazugehörige Software für das Tracking in der Logstik entwickelt und damit eine marktbeherrschende Position erreicht hat. Gegründet hat er Nexxiot in der Schweiz, nachdem er zehn Jahre an der ETH in Zürich tätig gewesen war. Dort beschäftigte er sich unter anderem mit Computer-Aided Architectural Design (CAAD), also der Erstellung von 3D-Modellen für Gebäude. Womit wir uns im Betätigungsfeld von Aidocr befinden.
Aidocr erleichtert die Digitalisierung der Immobilienbranche
Solche Modelle sind aus der Immobilienbranche heutzutage nicht mehr wegzudenken. Überhaupt schreitet hier die Digitalisierung mit großen Schritten voran. Building Information Modeling, auf Deutsch Bauwerkinformationsmodellierung, oder lieber abgekürzt BIM lautet hier das Stichwort. Gemeint sind damit die vernetzte Planung, der Bau und die Bewirtschaftung von Bauwerken mithilfe von Software. Eine der Herausforderungen besteht darin, unterschiedlichste Datenquellen zusammenzufügen, von klassischen Grundrisszeichnungen über mittlerweile auch schon fast klassische Exceltabellen bis hin zu modernsten CAAD-Grafiken. Und das in vielen Fällen nicht nur von einem, sondern von einer Reihe von Gebäuden unterschiedlicher Entwicklungs- und Nutzungszustände.
Das Versprechen von Aidocr lautet nun, all diese Daten nicht nur sinnvoll zu orchestrieren, sondern auch so einfach wie möglich nutzbar zu machen. Mitarbeitende eines Immobilienunternehmens können ohne IT-Kenntnisse über eine Chatfunktion quasi mit den Gebäuden sprechen. Diese Nutzerfreundlichkeit ist ein weiteres der Kernmerkmale, mit denen sich das Startup am Markt durchsetzen will. Die einfache technische Integration in bestehende Systeme gehört ebenfalls dazu. Ein weiterer Vorteil ist die Tatsache, dass die KI-Software zu 90 % von Aidocr selbst entwickelt wurde, lediglich ein Large Language Model wurde nach dem Baukastenprinzip hinzugefügt.

Besonderen Wert legt Aidocr auf die Zuverlässigkeit seiner KI. Viele künstliche Intelligenzen liefern auf die gleiche Anfrage bei mehreren Versuchen unterschiedliche Ergebnisse. Bei kreativen Prozessen wie der Erstellung von Bildern und Texten ist das auch kein Problem oder sogar erwünscht. Bei der Planung, Wartung und Verwaltung von Gebäuden sind dagegen eindeutige und einheitliche Ergebnisse essenziell. Das gilt selbstverständlich auch für andere Branchen, weshalb sich die Frage stellt, ob Aidocr in absehbarer Zeit sein Angebot entsprechend erweitert. Langfristig ausgeschlossen ist das nicht, aktuell aber noch kein Thema. Das erst Anfang 2024 gegründete Unternehmen bewegt sich auf einen riesigen Markt.
Von Anfang an international ausgerichtet
Über dessen tatsächliche Größe geben unterschiedliche Quellen stark voneinander abweichende Zahlen an, doch befinden wir uns auf jeden Fall im Billionenbereich. Für einen Geschäftserfolg ist also nicht einmal ein kleines Stück vom Kuchen erforderlich, einige Krümel wären schon genug. Die sammelt Aidocr momentan mit einem Kernteam von fünf Personrn ein, zwischenzeitlich waren bis zu zwölf Softwareentwickler beschäftigt. Staff on Demand nennt sich das Prinzip, die Personaldecke je nach Bedarf flexibel zu halten.
Das Augenmerk richtet sich nicht unbedingt auf den deutschen Markt. Aidocr streckt seine Fühler beispielsweise auch nach Dubai aus, dort wird bekanntlich besonders fleißig gebaut. Auch sonst ist das bisher komplett eigenfinanzierte Startup international aufgestellt. Der offizielle Firmensitz befindet sich in der Schweiz, was mit Christophs Vorgeschichte zusammenhängt. Ihre Heimat haben die beiden Gründer aber nach wie vor in Großhansdorf, eben dort, wo alles an einer Tankstelle begann.
Bilder: Aidocr