Food Innovation Camp sorgt für Durchbruch von Algenstartup Nordic Oceanfruit
Die Entwicklung des Food-Startups Nordic Oceanfruit verläuft gerade wie im Zeitraffer. Erst Anfang 2019 entstanden die ersten Rezepte für den Algensalat in der eigenen Küche, bald schon gibt es die Produkte überall bei REWE Nord. Entscheidenden Anteil an diesem Aufstieg hat unser Food Innovation Camp.
Schon in wenigen Jahrzehnten werden wahrscheinlich 10 Milliarden Menschen auf der Erde leben. Sie alle ausreichend und gesund zu ernähren und dabei die Umwelt so weit wie möglich zu schonen, ist eine der ganz großen Herausforderungen unserer Zeit. Der Hamburger Jacob von Manteuffel beschäftigt sich schon lange mit diesem Problem. Er hat Naturschutz studiert und den Schwerpunkt auf die Analyse und das Management von Ressourcen gesetzt. Bei seinen Recherchen ist er auf eine Gruppe von Pflanzen gestoßen, die bisher auf dem Speiseplan der Europäer kaum eine Rolle spielt: Algen. 2018 hat er einen Film mit dem Titel „The Seaweed Project“ über Algenfarmen veröffentlicht, der hier zu sehen ist.
Auch Deniz Ficicioglu beschäftigt sich schon seit Jahren intensiv mit Ernährung. Die Kommunikationswissenschaftlerin ist fruktoseintolerant und hat darüber gebloggt und zwei Kochbücher veröffentlicht. Für die Lebensmittelbranche war sie als Trendscout unterwegs und hat auch für das Berliner Restaurant und Innovationslabor HERMANN’S gearbeitet. Dort traf sie Jacob zum ersten Mal und stellte fest, dass beide ähnliche Ziele verfolgten und in der Verarbeitung von Algen eine Möglichkeit sahen, geschäftlichen Erfolg mit einen ideellen Ansatz zu verbinden. So entstand ihr gemeinsames Food-Startup Nordic Oceanfruit.
Spaghettialge kling viel leckerer als Seetang
Zwischendurch ein kleiner Exkurs in die Biologie: Der Begriff „Alge“ ist eigentlich kein streng wissenschaftlicher und wird für sehr unterschiedliche Pflanzenarten verwendet. Da ist zum Beispiel die auch Blaualgen genannten Cyanobakterien, deren bekannteste Vertreterin Spirulina unter anderem zu Nahrungsergänzungsmitteln verarbeitet wird. Algen gibt es in allen Größen, von mikroskopisch klein bis hin zu 50 Metern lang. Die großen Arten sind auch als Seetang bekannt und erfreuen sich als glitschiges Strandgut nicht unbedingt allgemeiner Beliebtheit.
Dieses Image hat bisher dafür gesorgt, dass die Idee Algen zu essen bei vielen auf wenig Begeisterung stößt. Dabei bieten die für Nordic Oceanfruit verwendeten Arten Flügeltang (Alaria esculenta) und Spaghettialge (Himanthalia elongata) enorme Vorteile. Ohne Einsatz von Düngemitteln oder Pestiziden lassen sie sich problemlos in heimischen Meeren züchten; aktuell bezieht das Startup seine Ware aus Norwegen. Sie wachsen an im Wasser aufgezogenen Seilen und erzeugen ein wertvolles Biotop für Fische und andere Meeresbewohner. Dem Menschen bieten sie eine Vielzahl an Nährstoffen und versorgen sie mit Vitaminen, Ballaststoffen und Jod, an dem sonst oft Mangel herrscht. Außerdem schafft ihr Anbau Arbeitsplätze und ermöglicht ehemaligen Fischern eine neue, umweltfreundlichere Einnahmequelle.
Beim Food Innovation Camp bekam Nordic Oceanfruit einen Sonderpreis
So gesehen haben Algen also das Zeug zu absoluten Lieblingen, jetzt müssen sie nur noch einem breiten Publikum schmackhaft gemacht werden. Seit Februar 2019 arbeiten Jacob und Deniz ausschließlich an Nordic Oceanfruit und an der Verbesserung der Rezepturen. Eine frühe Version ihrer Salate, für die sie Algen mit etablierten Gemüsesorten mischen, reichten sie für unseren FIC 2019 FOOD AWARD ein. Mit einem Erfolg hatten sie nicht unbedingt gerechnet, die Produkte waren eigentlich noch nicht ausgereift. Das sah die Jury zwar ähnlich, sie erkannte aber auch das große Potenzial. Spontan stifteten der bekannte Fernsehkoch Christian Rach und Jochen Vogel, Vorsitzender der Geschäftsleitung REWE Nord, einen Sonderpreis für die beste Produktidee.
Beim Food Innovation Camp am 20. Mai erfolgte dann die offizielle Preisverleihung. Dort konnten Deniz und Jacob schon eine deutlich verbesserte Version ihre Salate servieren, aber damit war die Entwicklung längst noch nicht abgeschlossen. Der Preis für Nordic Oceanfruit bestand nämlich aus einem Workshop, der die weitere Optimierung der Produkte zum Inhalt hatte. Schauplatz war im Juni die Küchenpraxis Nöcker Behnk der Profiköche Jörg Nöcker und Thorsten Behnk, die ihr geballtes Fachwissen einbrachten. Auch ihr Mentor Christian Rach schaute bei dem Workshop vorbei und gab Tipps. Von ersten Experimenten mit Algensalaten in der eigenen Küche bis zur mit Experten abgestimmten marktreifen Version ist also kaum ein halbes Jahr vergangen.
Demnächst über all bei REWE Nord
Und so rasant wird es weitergehen. Noch sind die drei, demnächst vier Sorten von Nordic Oceanfruit hauptsächlich online erhältlich. Dank REWE Nord soll das noch in diesem Herbst anders werden. Dann werden die Salate in über 600 REWE-Filialen Norddeutschlands stehen, flankiert von Werbemaßnahmen wie der Nennung in einem Prospekt in Millionenauflage und verkaufsfördernden Maßnahmen in den Supermärkten. Diese massive Unterstützung war ursprünglich gar nicht Teil des Awards, doch das Handelsunternehmen glaubt fest an die Qualität, die Erfolgschancen und nicht zuletzt die Relevanz der Produkte.
Momentan entwickelt sich Nordic Oceanfruit also ausgezeichnet auch ohne Investoren, was der Unternehmensphilosophie eines kontrollierten Wachstums entgegenkommt. Ihre Ziele stecken Jacob und Deniz dennoch sehr hoch, so soll Nordic Oceanfruit als Marke für Algen das werden, was Chiquita für die Banane ist. In Planung sind zudem aus Algen hergestellte Alternativen zu Fisch und Seafood. Das ist lebensmitteltechnisch allerdings ein ziemlich komplexes Unterfangen. Aber wer weiß, vielleicht entwickelt sich das Startup ja auch noch zum Beyond Meat der Fischfrikadelle.
Übrigens: Wer noch mehr über Nordic Odeanfruit erfahren möchte, sollte sich diese Folge von The Next Podcast anhören.