Schwarze Exzellenz und große Gefühle bei AiDiA-Premiere
Eine ganz besondere Premiere erlebte am 3. September der Miralles-Saal in Hamburg. Der erste afrodeutsche Startup-Wettbewerb AiDiA war großes Kino voller Aufbruchstimmung und begeisternder Pitches. Üppige Preisgelder gab es auch noch zu gewinnen. Wir fassen die Höhepunkte des Ereignisses zusammen.
Laut Afrozensus leben über eine Million Menschen afrikanischer Herkunft in Deutschland. Welchen Beitrag sie zu unserer Gesellschaft leisten, ist nur wenigen wirklich bewusst. Das zu ändern, ist eine der Aufgaben des gemeinnützigen Vereins Future of Ghana Germany (FoGG). Vor zwei Jahren entstand dort die Idee, einen Startup-Wettbewerb für afrodeutsche Gründerinnen und Gründer ins Leben zu rufen. Es bildete sich ein Team aus mehr als zwanzig Personen, die sich regelmäßig online trafen und mit AiDiA ein Event auf die Beine gestellt haben, das ein Stückchen deutsche Startup-Geschichte geschrieben hat.
Warum braucht es überhaupt einen Pitchwettbewerb speziell für Afrodeutsche? Leider gibt es in einigen Köpfen immer noch Barrieren, die eine Teilnahme an „normalen“ Wettbewerben erschweren. Wie sich zeigte, waren einige der Geschäftsmodelle auch stark auf die afrodeutsche Zielgruppe zugeschnitten und hätten in einem anderen Rahmen nicht die verdiente Beachtung finden können. Und schließlich bot AiDiA eine großartige Gelegenheit „Schwarze Exzellenz“, eines der wichtigsten Schlagworte des Abends, zu zelebrieren.
Drei Ideen mit Zukunft
Im dem Begriff „AiDiA“ stecken die „afrikanische Diaspora“ und die „Idee“, und so lautete auch die Überschrift der ersten Pitchkategorie. Hier traten Projekte an, die noch ganz am Anfang stehen. Mashanti Alina Hodzode eröffnete den Pitchreigen mit DE_Construct. Unter diesem Namen entsteht eine Plattform mit Onlinekursen für rassismussensible psychologische Beratung. Elephants Ear ist ein Marktplatz für Literatur mit afrikanischem Bezug. Gründer Renato Canga ist bei dem Thema besonders engagiert, denn seine Frau ist Autorin.
Auch wenn die Juryentscheidung erst wesentlich später verkündet wurde, nehmen wir das Ergebnis in der Kategorie Idee hier schonmal vorweg. Am meisten überzeugte Isopterra, präsentiert von Marvin Martin. Sein Vater baut seit 15 Jahren an einem Haus in Afrika, erzählte er, was Heiterkeit im Publikum auslöste. Tatsächlich ist Wohnungsbau ein ernstes Problem in Afrika, wo die Bevölkerung nach wie vor stark wächst. Eine Lösung könnte der vermehrte Einsatz lokal verfügbarer Baumaterialien wie Lehm sein. Dafür steht Isopterra.
Startups für bessere mentale Gesundheit und mehr Vielfalt in Kinderzimmern
Nach einer Networkingpause von gut einer Stunde ging es dann weiter mit dem Hauptereignis, dem Gründerpitch, für den sich Startups qualifiziert hatten, die schon etwa weiter fortgeschritten sind. Insgesamt waren übrigens über 60 Bewerbungen bei AiDiA eingegangen. Eine davon kam von V-TAY. Gründer Sannssi Cissé zog für sein Startup eine Parallele zu den Weight Watchers, denn auch V-TAY baut eine Community auf, bei der sich die Mitglieder gegenseitig unterstützen. Nur geht es hier nicht um das Abnehmen, sondern um mentale Gesundheit.
Angebote für Kinder mit dunklerer Hautfarbe standen im Mittelpunkt gleich mehrerer Pitches. David Amoateng erzählte von seiner Nichte, die auf der Suche nach einer Puppe, mit der sie sich identifizieren konnte, nicht fündig wurde. 90 % aller Puppen weltweit sind weiß und aus Plastik. LITTLE ASHÉ dagegen produziert „Puppen of Color“ aus Stoff, und das auch noch unter fairen Bedingungen in Ghana. Gideon Frimpong Bah, Geschäftspartner aus dem westafrikanischen Land, war extra für AiDiA nach Hamburg gekommen und wurde entsprechend gefeiert.
Auch Tebalou setzt sich für mehr Vielfalt in den Kinderzimmern ein. Dabei beschränkt sich der Marktplatz nicht nur auf Spielwaren, auch Bücher und einiges mehr sind im Angebot. Weit über 1.000 Produkte vertreiben die Gründerinnen Tebogo Nimindé-Dundadenger und Olalou Fajembola über ihr 2018 gegründetes Startup. Ganz kleine Kinder, beziehungsweise ihre Eltern, spricht Miniglotte an. Mehrsprachigkeit gilt als eine Kernkompetenz des 21. Jahrhunderts und Miniglotte hat Lernboxen entwickelt, die für Kinder im Alter von 0 bis 3 Jahre konzipiert sind. In den USA hat ein ähnliches Konzept schon Erfolg, erklärte Gründerin Afi Huguette Kreyling.
Oheema Green Housing holt den ersten Platz bei AiDiA
Den dritten Platz belegte V-TAY und bekam dafür unter anderem ein Preisgeld von 5.000 Euro. 15.000 Euro und Platz zwei gingen an Tebalou. Den Hauptpreis von 30.000 Euro sicherte sich wieder ein Startup, das sich des Themas Wohnungsbau in Afrika annimmt. Oheema Green Housing trägt dabei zur Lösung gleich mehrerer Probleme bei. Nicht nur der Wohnungsmangel, auch die Anhäufung von Unmengen von Plastikmüll ist in Afrika ein drängendes Thema. Oheema Green Housing schlägt zwei Fliegen mit einer Klappe und macht aus Kunststoffabfällen preisgünstiges Baumaterial. Ein erstes Projekt läuft in Ghana, aber prinzipiell könnte das fast überall auf der Welt funktionieren. Das überzeugte die Jury und Gründerin Augustina B. Busiah war der Siegerverkündung sichtlich gerührt (siehe unser Beitragsbild).
AiDiA war ein außergewöhnliches Erlebnis
Damit ging ein Startup-Event der Superlative zwar noch längst nicht zu Ende, denn es folgte noch eine rauschende Party. Für uns ist aber die Zeit gekommen, um ein paar Punkte zu nennen, die AiDiA so außergewöhnlich machten. Das fängt bei charmanten Details an, etwa bei der Band Bashey’z, die immer zu spielen anfing, wenn die Pitchzeit abgelaufen war. Überhaupt waren musikalische Einlagen ein wichtiger Programmbestandteil. Auf jeden Fall bemerkenswert ist die Höhe der Preisgelder. Insgesamt 53.000 Euro wurden ausgeschüttet, eingesammelt unter anderem über eine Crowdfunding-Kampagne und Sponsoren wie PayPal und Snipes.
Am beeindruckendsten war aber die Atmosphäre, die teilweise an eine Filmpremiere oder ein Festival erinnerte. Spürbar war vor allem der Stolz des Publikums auf die Leistungen der Gründerinnen und Gründer. Der äußerte sich zum Beispiel durch Szenenapplaus während der Pitches, etwa bei schlagfertigen Antworten auf durchaus kritische Juryfragen. Das erlebt man in dieser Intensität bei Startup-Wettbewerben sonst nicht. Schwarze Exzellenz war ein Motto von AiDiA, und die wurde an diesem Abend auf vielfältige Weise sichtbar. Mission also erfüllt, Fortsetzung folgt hoffentlich!