ChefTreff bringt den Startup-Spirit ins Kino
Freitag, 18. Januar 2019. Das Cinemaxx am Dammtorbahnhof war rappelvoll. Grund dafür war aber nicht irgendein Kinohit, sondern die Veranstaltung ChefTreff. Die richtete sich hauptsächlich an Studierende und bot viele Startup-Themen, zum dritten Mal übrigens. Höchste Zeit, dass Hamburg Startups dieses Erfolgsevent besucht hat!
2018 war ein miserables Jahr für die deutsche Kinowirtschaft. Die offiziellen Besucherzahlen liegen noch nicht vor, aber Insider gehen von knapp 100 Millionen aus. Im schon nicht berauschenden Jahr 2017 waren es 122 Millionen. Ganz anders sieht die Entwicklung beim ChefTreff aus. Zu Premiere im Dezember 2017 kamen bereits 250 Personen, bei der zweiten Ausgabe im Juni 2018 waren es 650 und jetzt lockte Teil 3 rund 900 Fans ins Cinemaxx. Das schaffen selbst an einem Freitagabend nicht mehr viele Blockbuster auf einen Schlag.
ChefTeff ist nach eigener Definition eine „Plattform für Studierende, Young Professionals, Hochschulen und Unternehmen“. Das Besondere: Die Veranstaltung spricht nicht nur in erster Linie ein studentisches Publikum an, sondern wird auch ausschließlich von Studierenden organisiert – neben dem Studium, versteht sich. Das wirke sich nicht unbedingt positiv auf die Noten aus, gestand Jan Henri Kalinowski, der zusammen mit Kommilitonin Lilly Wittrock das Gründungsduo von ChefTreff bildet, in der Dankesrede zum Abschluss. Angesichts des tollen Erfolgs lässt sich das sicherlich verschmerzen.
Erfolgreiche Gründer als Vorbilder für Studierende
Auf dem Programm standen die Vorträge von zehn „Chefs“, davon waren acht Männer – daran lässt sich sicherlich noch arbeiten. Zunächst hatten die Besucher die Wahl zwischen der „Experten-Bühne“ und der „Macher-Bühne“ in den Kinosälen 2 und 3. Wir entschieden uns für die Macher, denn das waren alles Startup-Gründer. Zunächst erzählte Flemming Pinck, wie sein Modelabel Inferno Ragazzi eher zufällig entstanden ist. Am Anfang gab es kaum mehr als den Namen und ein Lebensgefühl, inspiriert von einer Reise zum amerikanischen Spring Break. Beides kam so gut an, dass die infernalischen Jungs dazu passende Kleidung entwarfen und daraus in den letzten zehn Jahren eine Kultmarke aufbauten.
Eine weitere Erfolgsgeschichte konnte Cecil von Croy erzählen, ein gebürtiger Hamburger, der in Berlin sein Startup PlusPeter (ehemals PrintPeter) groß gemacht hat. Gestartet ist das Unternehmen mit einem kostenlosen Druckservice für Studierende. Bezahlt haben sie mit ihren Daten. Mittlerweile ist das Startup die am schnellsten wachsende Studentenplattform Europas, mit Jobbörse, angeschlossener Agentur für Personalmarketing und dem gerade entstehenden Angebot PeterEducation. Edit: Mittleerweise heißt das Unternehmen charly.education, hat sein Angebot stark erweitert und spricht nicht mehr nur Studierende an.
Pitch Battle – eine neues Format für einen Startup-Wettbewerb
Eine solche Entwicklung haben die sechs Teilnehmer des Pitch Battles hoffentlich noch vor sich. Der Next Commerce Accelerator hatte diesen neuartigen Wettbewerb initiiert. Alle Kandidaten bekamen zunächst die Gelegenheit, ein Problem und die von ihnen dafür entwickelte Lösung vorzustellen, und hatten dafür jeweils sechzig Sekunden Zeit. Danach sortierte eine Jury zwei von ihnen aus. Getroffen hat es das Terminplanungstool von appointer und die digitale Visitenkarte von Vcard Konzept.
In der zweiten Runde schilderten die restlichen vier Startups ihre Marktsituation. Dieses Mal fiel die Juryentscheidung gegen das Blockchainspiel Forest Knight und Wechsel-Bo aus, eine Plattform für den Wechsel von Energieanbietern. Blieben also zwei Finalisten übrig, die noch ihr Team vorstellen durften. Jetzt hatte das Publikum das letzte Wort und setzte procurefox mit seiner Handelsplattform auf den zweiten Platz. Gewonnen hat Linqfish mit Rabattschnäppchen für Studierende, was offensichtlich den Nerv der Zielgruppe getroffen hat.
Nach einer einstündigen Vortragspause, die ausgiebig zum Netzwerken genutzt wurde, ging es dann in den großen Kinosaal zur sogenannten „Chef-Bühne“. Der erste Speaker sorgte gleich für ausgelassene Stimmung. Waldemar Zeiler vom Kondom-Startup Einhorn ist dafür bekannt, dass er kaum einen Showeffekt auslässt. Sein Running Gag an diesem Abend: Mit einer Geste, die sonst zur Beruhigung dient, animierte er das Publikum, nun erst recht frenetisch zu applaudieren. Waldemar hat aber nicht nur Entertainerqualitäten, auch als Unternehmer hat er einiges erlebt und sich vom Rocket-Manager zum Produzenten nachhaltiger Produkte entwickelt. Ebenfalls neue Wege geht er bei der Arbeitskultur. So steht allen Mitarbeitern ein Besuch beim Psychotherapeuten zu.
Auch in einem Konzern sind neue Arbeitsmodelle möglich
Aber auch in Großunternehmen ist ein Kulturwandel in der Arbeitswelt möglich. Ein gutes Beispiel bot Christiane Haasis von Unilever. Als Vice President Refreshment ist sie für alle Eis- und Teesorten des Lebensmittelkonzerns zuständig, und das sind eine ganze Menge. Der Clou: Weil sie mit der „60-Stunden-Scheiße“ aufhören wollte, teilt sie sich den Job mit ihrer Kollegin Angela Nelissen, was auf dieser Führungsebene ziemlich einmalig ist. Nach außen treten sie unter dem Kürzel „Chan“ sogar wie eine einzige Person auf. Zunächst war man bei dem Konzern skeptisch, ob das klappt, inzwischen gibt es 15 weitere ähnliche Duos.
Letzter Speaker war schließlich Arian Ney. Der 23Jährige gilt als Shootingstar der Marketing-Szene. Er packte die Zuschauer mit einem hochemotionalen Vortrag, bei dem seine Mutter, eine Blumenverkäuferin, eine wichtige Rolle spielte, und präsentierte, wie alle anderen übrigens auch, seine wichtigsten Erfolgsregeln. Eine davon lautete: „Become a stalker“. Ganz so wörtlich sollte man das natürlich nicht nehmen, aber Arian hatte mehr als eine Geschichte auf Lager, in der er so lange an einem großen Vorbild dran blieb, bis er mit dieser Person zusammenarbeiten konnte. Ob das wirklich für jeden zur Nachahmung geeignet ist, sei dahingestellt. Kurzweilig und für viele inspirierend war Arians Auftritt auf jeden Fall.
ChefTreff soll noch viel größer werden
Das gilt im Prinzip für die gesamte Veranstaltung. Zum Preis einer Kinokarte wurde ein Programm geboten, das sich nicht hinter dem ähnlicher, aber wesentlich teurerer Events verstecken musste; im Gegenteil. Und es geht bestimmt weiter mit dem ChefTreff. Mittelfristiges Ziel ist es, bis zu 6.000 Teilnehmer aus ganz Deutschland nach Hamburg zu bekommen. Dazwischen liegen noch ein paar Klausuren, die nächsten schon in knapp zwei Wochen. Aber das wird auch irgendwie klappen.