MicroHarvest braut die Proteine der Zukunft
Wenn es um die Ernährung der Zukunft geht, ist immer wieder von Alternativen zu tierischen Proteinen die Rede, weil diese nachhaltiger und umweltfreundlicher zu produzieren sind. Ein führendes Startup in diesem Bereich ist MicroHarvest, das auf Fermentation setzt. Dahinter steckt ein internationales Team mit Standorten in Hamburg und Lissabon.
Gründungsteam mit Expertise in Fermentation und Produktionstechnik
Zum Gründungsteam von MicroHarvest gehören gleich zwei Fermentationsexpertinnen. Die Niederländerin Katelijne Bekers hat an der Universität Wageningen Biotechnologie studiert und mit einem Master abgeschlossen. 2016 kam sie nach Hamburg, um für Ohly zu arbeiten, einem führenden Unternehmen für Hefeprodukte. Die Portugiesin Luísa Cruz hat ebenfalls in den Niederlanden Biotechnologie studiert, und zwar in Delft. Neun Jahre war sie für das auf biochemische Produkte spezialisierte Unternehmen Corbion tätig, bei dem auch Katelijne für knapp ein Jahr beschäftigt war.

Aus einer anderen Branche kommt ursprünglich Jonathan Roberz, der dritte aus dem Führungsteam von MicroHarvest. Der Produktionstechniker sammelte bereits reichlich Startup-Erfahrung als Gründer und Geschäftsführer von Apodius, das sich mit Messlösungen für Faserverbundwerkstoffe befasste und 2016 an den Informationstechnologieanbieter Hexagon verkauft wurde. Dort war er noch eine Weile in leitender Position angestellt und hatte viel mit der Automobilindustrie zu tun. Vor allem das Thema CO2-Reduktion beschäftigte ihn, und er machte sich Gedanken darüber, wie er mit einem eigenen Unternehmen einen Beitrag dazu leisten könnte.
8,5 Millionen für revolutionäres Verfahren
In seiner Branche fand er nicht die zündende Idee. Die hatte dann Katelijne, die sich von den mit ihr befreundeten Gründern von Infinite Roots – ein Startup, das aus dem Pilzmyzel Fleischalternativen produziert- ermutigen ließ, diese auch umzusetzen. Als Jonathan sie kennenlernte, bestätigte sich seine Erkenntnis, dass die Lebensmittelindustrie die besten Ansätze bot. Die konventionelle Landwirtschaft und vor allem die Viehzucht haben bekanntlich einen negativen Einfluss auf das Klima, das Potenzial für auf nachhaltigere Weise produzierte Proteine ist entsprechend groß. Davon war auch Luísa überzeugt, und Anfang 2022 war das Gründungstrio komplett und machte sich von Hamburg aus auf die Suche nach Investoren.
Die waren auch relativ schnell gefunden, schon im September verkündete das Startup eine Finanzierungsrunde in Höhe von 8,5 Millionen Euro. Überzeugen konnte es mit einem Verfahren, das auf vielfältige Weise schon seit Jahrtausenden bekannt ist und das MicroHarvest auf ein neues Leistungsniveau bringt. Fermentation ist die Umwandlung organischer Stoffe in Säure, Gase oder Alkohol. Sie spielt eine entscheidende Rolle bei der Herstellung von Sauerkraut, Käse, alkoholischen Getränken und vielem mehr.

Eine eigene Pilotanlage und große Pläne
MicroHarvest verwendet bei seinem Fermentationsprozess spezielle Mikroorganismen, die größtenteils aus Proteinen bestehen, und „füttert“ sie mit Nebenströmen, also Überbleibseln beispielsweise aus der Zuckerproduktion oder der Verarbeitung von Erbsen. Der ganze Vorgang, der in Tanks abläuft, erinnert an die Bierbrauerei, nur geht er wesentlich schneller und hat als Ergebnis keinen Alkohol, sondern eben hochwertiges Protein in Pulverform. Über einen Lohnhersteller lässt das Startup aktuell fünf Tonnen pro Woche produzieren, das entspricht 15.000 Hühnern.
Seit Ende 2023 betreibt MicroHarvest eine Pilotanlage in Lissabon. Dort werden weitere Verbesserungen des Verfahrens im größeren Stil getestet, während die Grundlagen für Innovationen nach wie vor in Hamburg entstehen. Kürzlich hat das Startup einen neuen Standort in Othmarschen bezogen und ist jetzt direkter Nachbar von BLUU Seafood, das mit der Entwicklung von zellbasiertem Fisch ebenfalls ein Branchenpionier ist. Man darf gespannt sein, welche Synergien sich dort ergeben. Geplant ist zudem eine eigene Produktionsstätte in Ostdeutschland, die bis zu 50 Tonnen am Tag produzieren soll und Ende 2027 in Betrieb gehen könnte.

Hunde sind die ersten begeisterten Konsumenten
Vielleicht hat MicroHarvest bis dahin auch die Zulassung für den allgemeinen Markt erreicht. Bisher steht dem die europäische Novel Food-Verordnung im Weg. Die sieht für Lebensmittel beziehungsweise deren Herstellungsweisen, die vor 1997 in Europa nicht üblich waren, ein aufwendiges Genehmigungsverfahren vor. Das gilt zumindest für menschliche Konsumenten, bei Tieren ist die EU nicht so streng. Deshalb enthält bereits seit 2024 veganes Hundefutter von VEGDOG Proteine von MicroHarvest. Die Tiere lieben es, wie Tests ergaben. Ganz frisch ist die Zusammenarbeit mit THE PACK, einem britischen Unternehmen das ebenfalls Snacks für Hunde anbietet. Bedarf besteht zudem bei Betreibern von Aquakulturen.
Großes Ziel bleibt aber der Einstieg in den Lebensmittelmarkt, der momentan einen Protein-Hype erlebt. Der wird vielleicht irgendwann abebben, die Nachfrage nach Alternativen zu tierischen Proteinen wird aber sogar noch steigen. Und MicroHarvest möchte da eine wichtige Rolle spielen. Viele Faktoren sprechen dafür: Qualität, Nährstoffgehalt, Produktionsgeschwindigkeit, Skalierbarkeit und natürlich die hohe Nachhaltigkeit. Um 95 % niedriger im Vergleich zur herkömmlichen Landwirtschaft soll die Emission von Klimagasen sein. Das sollten genug Argumente auch für neue Investoren zusammenkommen, die bei den großen Plänen des Startups immer willkommen sind.
Beitragsbild: MicroHarvest



