So schneidet Hamburg beim „Start-up Barometer Deutschland“ ab
Regelmäßig nimmt das Wirtschaftsprüfungsunternehmen Ernst & Young (EY) die Startup-Szene in Deutschland unter die Lupe und konzentriert sich dabei auf ein Thema: Investments. Das „Start-up Barometer Deutschland“ mit den Zahlen für 2017 ist gerade erschienen. Wir haben uns die Auswertung und vor allem die Resultate für Hamburg genauer angeschaut.
Alles eitel Sonnenschein bei den Finanzierungsrunden in Deutschland? Schnell könnte man zu diesem Urteil kommen, denn die Gesamtergebnisse scheinen das eindeutig zu bestätigen. Die Zahl der von EY erfassten Investments – die nicht zwingend der tatsächlichen Zahl entsprechen muss – stieg von 484 in 2016 auf 507 in 2017. Beim Gesamtwert ist die Entwicklung noch wesentlich eindrucksvoller: 2017 konnten Startups fast 4,3 Milliarden Euro einsammeln, satte 88 % mehr als im Vorjahr!
Hamburg ist bundesweit die Nummer 3 bei Finanzierungsrunden
Allerdings wurden die Gelder selbstverständlich nicht mit der Gießkanne verteilt; einige Finanzierungen im dreistelligen Millionenbereich, wie sie nicht in jedem Jahr vorkommen, sind der Grund für diesen außerordentlichen Zuwachs. Auch ist die regionale Verteilung alles andere als gleichmäßig. Berlin bestätigt seinen Ruf als unangefochtene Startup-Metropole und verzeichnet 233 Deals. Das ist fast die Hälfte, während Bayern auf Platz 2 nur knapp 15 % erreicht (Gesamtzahl: 76). Die Bronzemedaille geht gleichermaßen an Nordrhein-Westfalen und Hamburg mit je 39 Investmentrunden. Die Hansestadt konnte das Vorjahresniveau (40) fast halten.
Bei den absoluten Summen hat Hamburg sogar einen großen Sprung gemacht. 230 Millionen Euro waren es 2017, 102 Millionen mehr als im Vorjahr. Das reicht auch hier für den dritten Platz hinter Bayern (407 Millionen Euro). In ganz anderen Sphären ist Berlin mit fast 2,97 Milliarden unterwegs. Das sind mehr als zwei Drittel vom ganzen Kuchen.
3 Berliner Unternehmen dominieren beim E-Commerce
Die bundesweit erfolgreichsten Branchen sind E-Commerce (1,81 Milliarden Euro), Fintech (541 Millionen Euro) und Health (522 Millionen Euro). Enorm ist der Zuwachs im Bereich E-Commerce; 2016 wurden hier nur 438 Millionen Euro investiert. Das liegt allerdings an vier Megadeals, die das Bild verzerren. EY errechnet nämlich allein für Delivery Hero 810 Millionen Euro, mehr als die Hälfte davon aus dem Börsengang. Auch die 268 Millionen für HelloFresh, ebenfalls aus einem IPO, lassen sich so schnell nicht wiederholen. Anders sieht es bei Auto1 aus: Hier gab es im Mai 2017 360 Millionen Euro, und im Januar 2018 schon wieder 460 Millionen.
Im vergangen Jahr sammelten die drei Unternehmen, die man kaum noch als Startups bezeichnen kann, fast 80 % der Gelder ein, die in E-Commerce investiert wurden. Kein Wunder, dass Food und Automotive als die mit Abstand erfolgreichsten Branchen im Handelssektor genannt werden. Und wie sieht es bei der Verteilung nach Bundesländern aus? Berlin kommt hier auf erdrückende 93,7 %, wogegen sich die altehrwürdige Kaufmannsstadt Hamburg mit kaum messbaren 0,78 % (14 Millionen Euro) bescheiden muss, verteilt auf sieben Deals.
Hamburg glänzt bei den Fintechs
Zum Glück gibt es einen Bereich, in dem Hamburg deutlich besser abschneidet: Fintech. Zwar holt sich auch hier Berlin mit 295 Millionen Euro und 33 Finanzierungsrunden die Spitzenposition, aber die Fintech-Startups von der Elbe konnten immerhin 152 Millionen Euro verbuchen, und das in nur sechs Runden. Heraus ragt hier natürlich Kreditech mit 110 Millionen; nur bei fünf von EY erfassten Finanzierungsvorgängen ging es branchenübergreifend 2017 um mehr Geld in Deutschland.
In anderen Branchen hat Hamburg dagegen wenig zu vermelden. Bei Health sind es nur 7 Millionen Euro (ganz vorn hier Thüringen mit 115 Millionen dank des Börsengangs von InflaRx), 8 Millionen in der Kategorie Software & Analytics. Richtig bitter wird es dann bei Media & Entertainment. Schlappe 2 Millionen Euro gehen in die vermeintliche Medienmetropole, verteilt auf vier Deals. Außer Konkurrenz hier mal wieder Berlin mit 268 Millionen Euro, davon 209 Millionen an Soundcloud.
Mit 21 Millionen Euro steht Hamburg in der Kategorie Mobility bei einem bundesweiten Investmentvolumen von 296 Millionen zwar wieder etwas besser da, aber auch hier fehlt ein Vorzeigeunternehmen wie Lilium aus Bayern (75,5 Millionen Euro). Ohne seine Erfolgs-Fintechs würde also Hamburg beim Start-up Barometer von EY in der Gesamtwertung deutlich schlechter dastehen. 2016 war das übrigens nicht anders. Dabei sind laut unserem Startup Monitor nur knapp 5 % der dort registrierten Jungunternehmen Fintechs. Im Bereich Commerce haben sich dagegen über 22 % der Monitorteilnehmer eingeordnet.
Wann kommt das erste Hamburger Einhorn?
Viele Startups an Alster und Elbe blühen lieber im Verborgenen, hängen ihre Finanzierungsrunden nicht an die große Glocke oder kommen auch ohne Fremdkapital gut klar. Das wäre die positive Betrachtungsweise der aktuellen Situation. Andererseits steht die Hansestadt wohl längst nicht so im Fokus der Investoren wie Berlin, und vielleicht fehlt es hier auch einfach an genug massentauglichen oder wahrhaft disruptiven Geschäftsideen. Aber wer weiß, vielleicht scharrt das erste Hamburger Einhorn (Startup mit einer Milliardenbewertung) schon irgendwo mit den Hufen und ist bereit für den ganz großen Sprung. Zu wünschen wäre es.
Hinterlasse einen Kommentar
An der Diskussion beteiligen?Hinterlasse uns deinen Kommentar!