Zum Fraß vorgeworfen? Spottster in der Höhle der Löwen

Man könnte meinen, (nicht nur) das Hamburger Startup-Ökosystem saß Dienstag Abend geschlossen bei Chips und Cola vor dem Fernseher und schaute gemeinsam ‘Höhle der Löwen’. An diesem Abend sollte es wieder ein Startup aus ihrer Mitte in die VOX-Sendung schaffen, um seine Startup Idee den fünf Löwen vorzustellen. Das sympathische Gründerteam von Spottster, Freya Oehle und Tobias Kempkensteffen, performte auch wie gewohnt souverän und schien den Löwen zu gefallen. Bis zu dem Punkt, als Löwe Frank Thelen den überrascht wirkenden Gründern offenbarte, sie hätten sich nicht gut vorbereitet, denn er sei bereits seit geraumer Zeit in das konkurrierendes Startup ‘Zen Shopping’ aus dem Valley investiert. Beide Gründer wirken überrascht. Die Stimmung vor dem Bildschirm sinkt schlagartig auf den Nullpunkt. Haben die beiden Gründer überhaupt Ahnung von ihrem Markt?

Hey @SpottsterCom wir sind stolz auf euch und glauben fest dran 🙂 #DHDL #Lumizilpublicviewing pic.twitter.com/ooh2y6s0kf

— Lumizil (@lumizil_de) September 1, 2015

Die beiden Hamburger werden mit den Worten der Off-Stimme von der Bühne begleitet, sie müssten ’ein bisschen mehr Gas geben, denn die beiden seien schließlich Konkurrenten von Frank Thelen!’ Die Netzgemeinde bleibt verstört zurück. Was war das denn? In Vorab-Interviews machte das Gründer Team einen zuversichtlichen Eindruck, das Feedback der Löwen sei durchweg positiv gewesen und dann so eine Watschn’ mit dramatischen Slow-Motion-Abgang?

hm, die Nummer mit dem '@SpottsterCom runterputzen' und der Ankündigung v Launch v Zenshopping in D hat für mich irgendwie Geschmäckle #dhdl

— Sina Gritzuhn (@SinaGritzuhn) September 1, 2015

Im Parallel-Universum twitter passierte derzeit etwas nicht minder seltsames: Investor und Löwe Thelen twittert zugegeben etwas ungeschickt den baldigen deutschen Launch des Konkurrenten aus USA während sein Fernseh-Alterego die Hamburger Gründer runterputzt. Ein kleiner Netztumult entsteht.

Zen Shopping http://t.co/PmNCSamiDH wird bald in Deutschland starten. #DHDL

— Frank Thelen (@frank_thelen) September 1, 2015

Was wirklich passierte

Hamburg Startups kam diese kreative Art des redaktionellen Zusammenschnitts der VOX-Show mehr als komisch vor. ‘Gibt es bei der Höhle der Löwen vielleicht doch so etwas wie einen Spannungsbogen?’ fragen die Kollegen von der Gründerszene und nicht nur bei uns macht sich die Vermutung breit, dass dieser Bogen auf Kosten der Hamburger Gründer gespannt wurde.

Die Aufzeichnung der Startup Reality-Show war bereits im März und wie es bei Produktionen von Fernseh-Shows nun mal der Fall ist, entsteht weitaus mehr Material, als letztendlich in den fertigen Beitrag kommt. Auf die Frage, ob die Spottsters diesen sehr negativen Zusammenschnitt erwartet haben, antwortet Gründerin Freya:

‘Ehrlicher Weise nein. Selbst nach der Aufzeichnung waren wir aufgrund des guten Feedbacks der Jury sehr positiv gestimmt, weshalb wir über das Gesamtbild selbst überrascht waren.’

Lieber Frank Thelen, das fand ich extrem uncool, wie du Spottster Dein Learning bei den Löwen #dhdl mitgegeben…

Posted by Elke Fleing on Dienstag, 1. September 2015

Das spottster Team wurde bereits zweimal von der Produktionsfirma angesprochen, ob sie sich nicht für die ‘Höhle der Löwen’ bewerben möchten. Das haben sie beim zweiten Mal gemacht. Die Bewerbung ging im November 2014 bei Sony ein. Auf unsere Frage, warum sie Zen Shopping nicht kannten sagen die beiden:

‘Wir kannten ZenShopping noch nicht zum Zeitpunkt der Bewerbung, da die vor den ersten für uns sichtbaren Aktivitäten des Unternehmens lag.

Zum Zeitpunkt der Aufzeichnung war dem Spottster-Team jedoch bereits bewusst, dass es das amerikanische Unternehmen gibt, haben es jedoch nicht als Konkurrenz eingestuft, da es praktisch keine Aktivitäten in Europa aufwies. Das ist bis heute übrigens der Fall.

Freya Oehle und Tobias Kempkensteffen wagen sich mit ihrem Startup in die Höhle der Löwen

‘Das damals ausschließlich amerikanische und in den Kinderschuhen steckende Unternehmen kannten wir allerdings schon und haben auch zu seiner Aufstellung Stellung bezogen, welche leider zeitlich nicht mehr untergebracht wurde’, so Freya weiter.

Zudem betrachtet das Team aus Hamburg den Pitch vor Jury auch nicht als unbedacht und ‘schlecht vorbereitet’, wie es beim Zuschauer ankam:

‘Im Hinblick auf Herrn Thelen, haben wir es allerdings nicht als direkte, uns gegenüberstehende Konkurrenz oder einen Portfoliokonflikt eingestuft, was auch auf die damals nicht existenten Aktivitäten außerhalb der USA zurückzuführen ist. Daher war ein Pitch vor der Jury, anders als von Frank Thelen beschrieben, auch kein unüberlegter Schritt – allerdings wissen wir nun immerhin, dass es scheinbar baldige Expansionspläne gibt, was uns davor bewahrt, die geringe Aktivität und den anderen Fokus von ZenShopping falsch zu deuten.’

Kreative Schnitte schaffen ein neues Bild

Also doch kreative Schnitttechnik? Denn was wir im Beitrag auch nicht gesehen haben war die Tatsache, dass Tobias den Löwen ausgiebig verargumentierte, worin Zen Shopping sich von Spottster massiv unterscheidet.

Ebenso fehlte die positive Reaktion der Jury, die das Gründer Team beflügelte sogar eine Office Party zum gemeinsamen Public Viewing zu veranstalten. Von den postiven Kommentaren war jedoch am Ende nichts mehr zu sehen. Im Gegenteil, beim Zuschauer bleibt das Bild eines unprofessionell vorbereiteten und ‘betretendenden’ Teams, dass jetzt gegen einen Fernseh-Juror und Online-Experten antreten muss. Diese Wendung überrasche die Spottster-Gründer:

‘Die Stimmung im Studio war durchweg positiv. Die Hauptbegründung, warum kein Invest floss (mit Ausnahme von Herrn Thelen) war dabei, dass wir als Online Dienst nicht ins Portfolio passen, aber als Team und von der Idee her sehr stark aufgestellt sind. Der Pitch war stark und das kam als Feedback auch an uns zurück’, so Tobias.

Was war da noch mit Zen Shopping?

Neben eines ausgiebigen und unserer Meinung nach an dieser Stelle sehr unpassenden Pitches über den amerikanischen Mitbewerber im Studio, twitterte der Juror und Online-Entrepreneur Frank Thelen zudem am Abend der Ausstrahlung, dass die Konkurrenz demnächst in Deutschland an den Start geht. Damit sorgte er für reichlich Unmut bei der Netzgemeinde, die ihm Kalkül unterstellte. Frank Thelen weist das von sich:

‚Ich war von der Situation am Dienstag Abend ebenso überrascht, wie das Spottster-Team, da ich seit fast drei Jahren in Zen Shopping investiert bin und wir gerade das Produkt umbauen. Auf PR war ich oder das Gründerteam von Zen Shopping gar nicht vorbereitet. Spätestens mit Start der 1. Staffel ist Zen auf http://frank.io in meinem Portfolio sichtbar und hätte problemlos vom Startup und der Redaktion der Höhle der Löwen recherchiert werden können. Eine unangenehme Situation für alle Beteiligten. Es war ein guter Pitch von Spottster und mir gefällt die Produkt-Idee. Ich wünsche Spottster, dass sie die Aufmerksamkeit nutzen um ein erfolgreiches Unternehmen aufzubauen.’

Bei der Sorge, dass er jetzt wohlmöglich die Businesszahlen der Konkurrenz einsehen könne macht Thelen ausdrücklich klar, dass er weder vor dem Pitch noch nach dem Pitch Zugang zu den Bewerbungsunterlagen von Spottster hatte. Die Trennung zwischen Ihm und der Reaktion werde immer strikt eingehalten. Was uns übrigens von der Produktionsfirma für alle Löwen bestätigt wurde.

Was bleibt: ein falsches Bild, ein Learning und ordentlich Traffic

Das Spottster Team ist jetzt um eine Erfahrung reicher. Soviel steht schon mal fest. Den Kritikpunkt, nicht gut genug vorbereitet gewesen zu sein, was das Portfolio der Juroren angeht, müssen sie zumindest teilweise als wichtiges Learning mitnehmen. Das ist dem Team bewusst. Dennoch sind die beiden Gründer aus Hamburg verständlicherweise enttäuscht darüber, welche Wendung ihrem Auftritt in der ‘Höhle der Löwen’ zugeteilt wurde.

Die positive Resonnanz kam dann jedenfalls Realtime: Zahlreichen Emails von Zuschauern erreichte das Team noch am selben Abend, die den Gründern Mut machten und sie bestärkten. Ebenso gab es reichlich Traffic auf der Spottster-Website.

Was jedes Startup, dass sich in ein TV-Format begibt, das nicht Live gesendet wird, wissen muss, ist jedoch offensichtlich: nicht das Startup entscheidet darüber, welche Richtung die Story nimmt, sondern die Redaktion. Dabei kann der gewünschte Spannungsbogen auch einen entgegengesetzten Weg einschlagen. Bilder lassen sich durchaus formen.