Red Arrow entwickelt eine neue Turbinentechnologie für Drohnen
DefenseTech ist derzeit eines der beherrschenden Startup-Themen. Unternehmen aus dem Münchener Ökosystem wie Helsing oder Quantum Systems haben längst Milliardenbewertungen erreicht, in Hamburg tut sich dagegen kaum etwas. Eine Ausnahme könnte Red Arrow werden, das ein weltweit einzigartiges Triebwerk für Drohnen entwickelt.
Studiert hat Finn von Westernhagen Flugzeugbau an der HAW Hamburg, sein erstes Startup gehörte aber in eine völlig andere Branche. Eisenreich verkaufte Müsliriegel mit besonders hohen Eisenanteil. Die Inspiration kam durch Finns damalige Freundin und heutige Frau, die von Eisenmangel betroffen ist, wie weltweit wahrscheinlich bis zu 2 Milliarden Menschen. Theoretisch war der Bedarf also groß, tatsächlich ermöglichten die Umsätze nicht das Marketingbudget, das für das Wachstum der Marke notwendig gewesen wäre. Nach fünf Jahren war 2021 daher Schluss.
Ein antiker griechischer Ingenieur ist Urvater der Turbine
Zu diesem Zeitpunkt stand mit Red Arrow – der Name steht für Redefine Aerospace – das nächste Projekt schon lange in den Startlöchern, auch wenn es erst 2022 so richtig losgehen sollte. Seine Mitgründer hat Finn über die Co-Founder-Plattform Founderio kennengelernt. CFO Christian Weisker hat als Freiberufler sein Know-how in Finanzfragen schon bei einer Reihe von Unternehmen eingebracht. Mehmet Killi hat an der TU Hamburg Maschinenbau studiert. Er und Finn standen sich also sowohl räumlich als fachlich von Beginn an recht nahe, sodass sie schon während des Masterstudiums zusammen an den ersten Entwürfen dessen arbeiteten, was heute „The Heron Fan“ heißt.

Benannt ist ihre Erfindung nach dem griechischen Mathematiker und Ingenieur Heron von Alexandria aus dem 1. Jahrhundert nach Christus. Bekannt ist er unter anderem für den Heronsball, bei dem Wasserdampf eine Kugel in Drehung versetzt. Einen praktischen Nutzen hat das nicht, technisch gesehen handelt es sich aber um die einfache Urform einer Turbine. Heutzutage werden die meisten Flugzeuge durch Gasturbinen angetrieben, die, vereinfacht gesagt, Luft ansaugen, komprimieren, mit Kraftstoff vermischen, verbrennen und als heißes Gas wieder ausstoßen, was die Schubkraft erzeugt. Eines von drei wesentlichen Bauelementen, auf die wir uns hier konzentrieren, ist der Fan, der einem Ventilator ähnelt und der von außen sichtbare Teil ist, den man von Düsen von Passagierflugzeugen kennt.
Red Arrow baut nach dem 3-in-1-Prinzip
Auf den Fan folgt der Verdichter, ein rotierendes System zur Komprimierung der angesaugten Luft. Die eigentliche Turbine ist schließlich die Komponente, die von dem erhitzten Gasgemisch angetrieben wird. Alle drei beschriebenen Teile, Fan, Verdichter und Turbine, drehen sich, weshalb sich die Frage stellt, ob sie sich nicht irgendwie kombinieren und verschmelzen lassen können. Die Antwort gibt Red Arrow: Ja das geht, genau das macht der Heron Fan. Die Vorteile liegen auf der Hand. Eine solche Turbine ist leichter, kompakter und preiswerter als herkömmliche Modelle und ermöglicht bei gleichem Brennstoffverbrauch erheblich größere Reichweiten. Somit eignet sie sich hervorragend für Drohnen, die bisher überwiegend mit Propellern arbeiten.

Zumindest in der Theorie. Für einen Praxistest muss Red Arrow Prototypen bauen und die kosten Geld, die ein ganz junges Startup zunächst nicht hat. Ein bedeutender Schritt war deshalb dank eines Stipendiums die Aufnahme ins MotionLab.Berlin. Das definiert sich selbst als Deutschlands führender Innovation Hub und Makerspace und ist im Kern eine große Werkhalle, in der sich vor allem Hardware-Startups ausprobieren können. Von November 2022 bis April 2023 war Red Arrow dort untergekommen und hatte den ersten echten Prototypen erschaffen können.
Von Berlin nach Litauen und zurück nach Hamburg
Danach folgte eine Phase der Stagnation, die erst 2024 mit der Aufnahme in den Accelerator von ScaleWolf endete. ScaleWolf ist ein Wagniskapitalgeber, der sich auf Dual-Use-Technologien spezialisiert hat, die sich sowohl für militärische als auch zivile Zwecke verwenden lassen. Das Unternehmen sitzt in der litauischen Hauptstadt Vilnius, weshalb auch Red Arrow seinen Sitz vorübergehend in das baltische Land verlegt hat. Im Anschluss an den ScaleWolf Accelerator konnte das Startup noch einen Platz im von Plug and Play unterstützen Startup Lithuania Accelerator ergattern. Die Zeit in Litauen hat Red Arrow sowohl finanziell als auch bei der Entwicklung des Produkts und des Geschäftsmodells deutlich vorangebracht.

Zurück in Hamburg, dient momentan der Makerspace des Forschungszentrums DESY als Unterschlupf. Dort lassen sich 3D-Drucker und kleinere Maschinen für die Herstellung weiterer Protoypen nutzen. Im Prinzip ist die Technologie erprobt und auch international mehrfach patentgeschützt. Was noch fehlt, ist ein echter Test, also ein Flug mit einer Drohne. Einen potenziellen Partner dafür gibt es bereits. Den Markteinstieg plant Red Arrow bei Drohnen, die für Militäreinsätze gedacht sind. Das sind in der Regel kleine, unkomplizierte Geräte für den einmaligen Gebrauch.
Langfristig ist aber auch die zivile Nutzung ein Ziel, etwa in Katastrophenfällen. Ein Traum wäre ein unermüdliches Drohnengeschwader zur Waldbrandbekämpfung. Das Potenzial ist also groß, warum hat Red Arrow dann keine Mitbewerber, zumindest keine bekannten? Diese Frage hat sich Finn, dem die Idee während einer Vorlesung kam, auch schon gestellt. Vielleicht war bisher die Zeit einfach nicht reif dafür, vielleicht passt sie nicht zu dem Trend, bei den Antriebssystemen der Zukunft ausschließlich an Elektrifizierung zu denken. Und vielleicht ergibt sich daraus jetzt die Chance, auch Hamburg einen Platz auf der DefenseTech-Karte zu sichern. Wobei das mit dem Löschen von Waldbränden noch viel schöner wäre.
Bilder: Red Arrow (Team, Grafik), Mathias Jäger





