Höhepunkte der Symbioticon 2019 in Hamburg
In der vergangenen Woche haben sich die Startup-Ereignisse geradezu überschlagen. Allein die Fintech Week hatte um die 30 Programmelemente. Eines davon war die dreitägige Symbioticon. Dieses Event der Sparkassen-Finanzgruppe bot eine Mischung aus Hackathon und Konferenz mit prominenten Speakern. Wir haben uns die Beiträge von Aya Jaff und Harald Welzer sowie das Siegerteam einmal genauer angeschaut.
Aya Jaff: „ohne Feinde auf dem falschen Weg“
Programmiererin wollte sie eigentlich gar nicht werden, zu uncool erschien ihr dieser Job. Dann hat sie aber doch damit angefangen, um Probleme zu lösen, hat ein Online-Börsenspiel mitentwickelt und allerlei Großunternehmen beraten. Mit 23 gilt sie als Deutschlands bekannteste Coderin und gilt als weibliches Vorbild in einer Szene, die noch immer von Männern dominiert wird. Bei der Symbioticon gab sie eine Reihe von Tipps für eine erfolgreiche Karriere, die auch unabhängig vom Geschlecht gelten.
Eine Lebensweisheit hat sie aus der Welt der Videospiele übernommen: Wenn du nicht irgendwo auf Feinde triffst, bist du auf dem falschen Weg. Nun sollte man Konkurrenten natürlich nicht über den Haufen schießen wie irgendwelche Monster in einem Ego-Shooter. Aber wenn im Berufsleben keine Widerstände auftreten, die es zu überwinden gilt, wird man kaum wirklich vorankommen. Eine Reihe weitere Leitsätze hatte Aya mitgebracht, etwa den, immer offen für Neues zu sein und Lust am Lernen zu haben, selbst wenn es sich um Mathe handelt. Spaß gehört sowieso dazu und auch die Bereitschaft, Erfolge und Probleme mit anderen zu teilen.
Weisheit kann nämlich in vielen Formen auftreten, weshalb man sich Rat und Inspiration von außen holen sollte. Respekt vor Ideen und Menschen, die man vielleicht sofort versteht, erweitert den Horizont und vergrößert die Erfolgschancen. Das heißt aber nicht, dass man sich anderen unterordnen muss. Wer ein festes Ziel hat, sollte dieses klar und deutlich formulieren und immer seine eigenen Vorstellungen einbringen. Bei allem berechtigten Ehrgeiz darf aber Ayas letzte Regel nicht zu kurz kommen: Zwischendurch immer mal wieder einfach abschalten, im übertragenen Sinn und buchstäblich.
Harald Welzer: „Prognosen stimmen nie“
Abschalten möchte angeblich auch der Soziologe Harald Welzer, und zwar den Kapitalismus. Das stimmt so aber nicht, auf der Symbioticon bezeichnete er unsere – im Kern kapitalistische – Gesellschaft sogar als gigantisches Erfolgsmodell, die beste aller bisherigen Welten. Die Sache hat nur einen Haken: Wir verbrauchen zu viel Energie und die Digitalisierung ist keine wirkliche Disruption, weil auch sie einen Energiebedarf mit sich bringt. Was tun? Von Prognosen hält Welzer nichts, sie würden nur vom Status Quo ausgehen und diesen in die Zukunft weiterspinnen. Deshalb sei auch das Elektroauto ein Irrtum, weil es nur eine neue technische Lösung für ein bestehendes Mobilitätskonzept darstellt, anstatt dieses grundsätzlich infrage zu stellen. „Wie Methadon für Junkies“, lautet sein Vergleich.
Viele bedeutende Entwicklungen haben Zukunftsforscher nicht kommen sehen. Der Fall der Mauer ist ein gerade wieder aktuelles Beispiel, oder der rasante Aufstieg der Fridays for Future-Bewegung. Und niemand hatte vor 15 Jahren ahnen können, welche gewaltigen gesellschaftlichen Veränderungen das 2007 vorgestellte Smartphone bewirkt. In Europa kam das iPhone übrigens am 9. November auf den Markt.
Welzer empfiehlt daher, notwendige und einschneidende Veränderungen vom Ergebnis her zu denken und dann die zur Erreichung eines Ziels erforderlichen Schritte zu definieren. Die von von ihm mitgegründete Stiftung für Zukunftsfähigkeit FUTURZWEI trägt dieses Prinzip schon im Namen. In der deutschen Grammatik bezeichnet Futur 2 die vollendete Zukunft: „Ich werde gewesen sein.“ Welzer hält nichts von Schwarzmalerei und will im Gegenteil Mut machen. Die Möglichkeiten etwas zu verändern seien so gut wie nie.
Team Techforce sichert sich 100.000 Euro
Trotz der tollen Speaker: In erster Linie war die Symbioticon selbstverständlich ein Hackathon. Von Montag bis Mittwoch arbeiteten 23 Teams in fünf Kategorien an Ideen und Softwareprodukten rund um das Thema Fintech. Die Gewinner in jeder Sparte erhielten einen Geldpreis in Höhe von 5.000 Euro. Außerdem kürte die Jury noch einen Gesamtsieger, der sich über ein Umsetzungsbudget von 100.000 Euro freuen konnte. Hier fiel die Wahl auf den Primus aus der Kategorie Investment mit dem Arbeitstitel Techforce.
Hinter Techforce steckt ein vierköpfiges Team von buerozimmer, laut eigener Definition ein „freies Studio für digitale Projekte & Produkte schöner Art“. Den Preis gab es für eine Weiterentwicklung des Planspiels Börse der Sparkasse. Die neue, mobile Version richtet sich an Lehrer und ihre Schulklassen und soll junge Leute spielerisch mit der Welt der Finanzanlagen vertraut machen. Im Mittelpunkt steht der Handel mit Aktien fiktiver Unternehmen und später auch Fonds. Bei der Vermittlung des dafür erforderlichen Wissens kommt unter anderem auch Augmented Reality zum Einsatz. Bei dem üppigen Umsetzungsbudget ist die Hoffnung groß, dass aus dem Projekt ein echtes Produkt entstehen kann.