Fintech in Hamburg – eine Einführung
Wer an Banken denkt, denkt an Frankfurt und die Skyline mit den Hochhäusern der Kreditinstitute. Da liegt die Vermutung nahe, dass ebenso die Fintechs, also die digitalen Finanzdienstleister, vor allem am Main beheimatet wird, und vielleicht noch in der Startup-Hochburg Berlin. Dabei hat hier auch Hamburg ein entscheidendes Wort mitzureden, und das in guter Tradition.
Um dem Fintech-Standort Hamburg ein wenig besser kennen zu lernen, hat Hamburg Startups gemeinsam mit den Partnern comdirect bank AG, der Sutor Bank und der Ginkgo Management Consulting.
das Hamburg Startups Fintech-Dossier ins Leben gerufen. Der Sommer 2016 steht somit ganz im Zeichen der Finanzbranche: Mit spannenden Insights in das Hamburger Fintech-Ökosystem, Portaits- und Interviewreihen sowie interessanten Gastbeiträgen unserer hiesigen Fintech-Experten.
Banking-Tradition made in Hamburg
Was nur wenige wissen: Die älteste deutsche Privatbank wurde in der Hansestadt eröffnet. Eigentlich sogar naheliegend, wenn man die Bedeutung Hamburgs als Handelsstandort berücksichtigt. Konsequenterweise war die Berenberg Bank bei ihrer Gründung im Jahr 1590 zugleich auch ein Handelsunternehmen.
Andere namhafte Hamburger Privatbanken sind beispielsweise Warburg, Donner & Reuschel, Marcard, Sein & Co und die 1921 gegründete Sutor Bank. Auch die mittlerweise in Frankfurt ansässige zweitgrößte Bank Deutschlands, die Commerzbank, hat ihren Ursprung in Hamburg: 1870 wurde sie vom damaligen hanseatischen Geldadel gegründet. Und wer die Fusionsgeschichte der Hypovereinsbank zurückverfolgt, stößt dabei auch auf die Vereinsbank Hamburg aus dem Jahr 1856.
Für die Gegenwart muss das natürlich nichts bedeuten, und diese Gegenwart trägt den Namen Fintech. Bevor wird uns aber mit der Situation speziell in Hamburg näher beschäftigen, wollen wir zuerst erklären, was sich hinter diesem Begriff eigentlich verbirgt. Fintech ist die Kurzform von Finanztechnologie und wird als Gattungsbegriff für Startups verwendet, die sich mit Lösungen rund ums Geld beschäftigen.
Werden die klassischen Banken bald überflüssig?
Ein Schlagwort, das im Zusammenhang mit Fintechs immer wieder zu hören ist, lautet Disruption, gern ergänzt durch ein Zitat von Bill Gates: „Banking is necessary, banks are not.“ Fintechs könnten also irgendwann die alten Banken ablösen und überflüssig machen wie einst das Auto die Pferdekutsche, ein klassischer Fall von Disruption.
Nun stammt die provokante Aussage von Gates aus dem Jahr 1994, und die Krisen, die die Finanzdienstleistungsbranche seither durchleben musste, hatten kaum etwas mit der fortschreitenden Digitalisierung zu tun. Mit fragwürdigen Produkten schon eher, aber das kann auch Fintechs passieren, wie das aktuelle Beispiel von Lending Club aus den USA beweist: Dieses Startup geriet kürzlich gehörig unter Druck wegen fauler Kredite; das soll vorkommen in der Szene.
Gleichzeitig zeigt eine von KPMG und CB Insights veröffentlichte Studie, das noch nie so viel in Fintechs investiert worden ist wie im 1. Quartal 2016. Im Vergleich zum 4. Quartal 2015 stiegen die Zahl der Investments von 336 auf 468 und die Finanzierungssumme insgesamt von 3,1 auf 5,7 Milliarden US-Dollar. Die größten Deals gehen mittlerweile in China über die Bühne; der Zahlungsdienstleister ANT Financial konnte diesen April sage und schreibe 4,5 Milliarden US-Dollar einsammeln.
Die Zukunft gehört Kooperationen zwischen Fintechs und etablierten Banken
Ein großer Teil des Geldes kommt von klassischen Banken, was der These widerspricht, diese seien mit den Fintechs naturgemäß verfeindet. Vielmehr stellt sich immer mehr heraus, das in absehbarer Zukunft beide Parteien nur dann erfolgreich sein können, wenn sie kooperieren und ihre Kompetenzen bündeln.
Ein Beispiel dafür ist die Deutsche Bank, die inzwischen mit diversen Fintech-Startups zusammenarbeitet. DSwiss aus der Schweiz steht da auf der Liste, webIDSolutions aus Berlin und fincite aus Frankfurt sind ebenfalls dabei. Und so langsam kriegen wir auch endlich wieder die Kurve Richtung Hamburg mit zwei weiteren Kooperationspartnern der Deutschen Bank: figo und Deposit Solutions.
figo ist quasi ein Meta-Fintech und bietet nach eigener Definition „Banking as a Service“ und damit eine Lösung für das Schnittstellenproblem, mit dem sich Finanzdienstleister alter und neuer Prägung häufig herumschlagen müssen. figo-CEO André M. Bajorat ist zudem einer der profiliertesten Fintech-Experten Deutschlands, im Dienste seiner Branche ständig auf Achse und Betreiber des sehr empfehlenswerten Fachblogs paymentandbanking.com.
Deposit Solutions hat sich auch weit über die Stadtgrenzen hinaus einen Namen gemacht, vor allem mit der Plattform Zinspilot für Tages- und Festgeldkonten. Dieses Know-how will auch die Deutsche Bank nutzen und ihren Kunden Angebote anderer Institute zugänglich machen, ein Novum in dieser Anlageklasse.
Fintech sorgt für millionenschwere Finanzierungsrunden
Und es gibt noch eine Menge weitere Fintechs in Hamburg. 18 sind momentan im Hamburg Startup Monitor gelistet, und viele davon haben in den letzten Wochen mit Erfolgsmeldungen auf sich aufmerksam gemacht. Zinsland, eine Crowdinvesting-Plattform für Immobilien zum Beispiel, die gerade ein 750.000 Euro-Investment ergattern konnte.
Kreditech sowieso; der Kreditvermittler sammelte zuletzt im April 2016 10 Millionen Euro ein und brachte es in seiner aktuellen Finanzierungsrunde, bei der auch Investorenlegende Peter Thiel mitmischt, inzwischen auf über 90 Millionen Euro. Bei Deposit Solutions ist Thiel ebenfalls involviert; die Qualität Hamburger Fintechs hat sich offensichtlich bis ins Silicon Valley herumgesprochen. Um die Liste zu vervollständigen: Finanzcheck.de konnte sich ebenfalls im April gleich 33 Millionen Euro auf einen Schlag sichern.
Bei solchen Größenordnungen ist kein Wunder, dass Fintechs zu den besten Arbeitgebern innerhalb der Startup-Welt zählen. Haben Hamburger Startups über alle Branchen hinweg laut Monitor Studie im Durchschnitt neun Arbeitsplätze zu bieten, sind es bei Fintechs 30. Diese Unternehmen sind auch nicht unbedingt eine Domäne ganz junger Gründerinnen und Gründer, oft stecken erfahrende Persönlichkeiten hinter den Erfolgsgeschichten. (Mehr Infos über die Hamburger Startups gibt es hier)
Mehr auf den Nachwuchs ausgerichtet ist die Start-up Garage, die sich im betahaus in der Schanze angesiedelt hat und von der comdirect gefördert wird. Womit sich der Kreis endgültig schließt und wieder bei den heimischen Banken angekommen ist, die für den Fintech-Standort Hamburg eine wesentliche Rolle spielen. Arno Walter, CEO der comdirect bank AG, kommentiert das so:
Der Fintech-Standort Hamburg muss sich nicht hinter anderen Städten wie Frankfurt und Berlin verstecken. Im Gegenteil: Viele Gründer zieht es in die Hansestadt, weil sie hier ein gutes Umfeld vorfinden, um ihr Startup weiter voranzutreiben. Das zeigen die positiven Rückmeldungen auf unsere comdirect Start-up Garage. Doch nicht nur für Startups ist Hamburg attraktiv: Selbst große Internetkonzerne wie Facebook und Google haben sich hier angesiedelt. In Sachen Digitalisierung nimmt die Hansestadt damit deutschlandweit eine führende Rolle ein. Aber letztendlich geht es nicht darum, wer das Banking der Zukunft gestaltet oder wo dies stattfindet, sondern wie wir es tun. Dafür sollten wir alle an einem Strang ziehen – Fintechs ebenso wie Banken, egal ob nun in Hamburg, Frankfurt, Berlin oder anderswo.
Auch die Sutor Bank trägt einen wichtigen Teil dazu bei, wie Business Development Manager Hartmut Giesen erklärt:
Die Sutor Bank hat die Zusammenarbeit mit Fintechs zum Geschäftsmodell weiterentwickelt. Mit ihrer Startup-Plattform unterstützt sie unter dem Motto „Make Fintechs Work“ junge Finanzunternehmen mit den Produkten, Services und Prozessen, für die eine Banklizenz notwendig ist. Zurzeit nutzen das Zinsportal Deposit Solutions/Zinspilot, der Anbieter von Altersvorsorge-Lösungen fairr.de, die Kreditplattform Credishelf und der Robo-Adivsor Growney die Startup-Plattform.
Es gibt also jede Menge Stoff für unser Fintech-Dossier, das von der Sutor Bank mit Spannung erwartet wird:
Wir freuen uns, dass mit dem Dossier der „Hidden-Fintech-Champion“ Hamburg ins rechte Licht gerückt wird – und das mit „Between the Towers“ und der Fintech-Week im Oktober der hanseatische Finanzstandort auch in Sachen Events stark aufholt.
Ähnlich geht es Daniel Dede von Ginkgo Management Consulting:
Die Hamburger FinTech Szene im Rahmen dieses Dossiers und neben dem Event „Between the Towers“ genauer zu beleuchten, ist ein tolles Projekt, das wir als Managementberatung und Spezialisten für Digitalisierungsinitiativen – in der Regel aus Konzernsicht – unglaublich gerne begleiten.
Die mehrfach angesprochende Veranstaltung Between the Towers findet übrigens schon am 22. Juni im betahaus statt. Sehr zu empfehlen, und wir werden im Rahmen unseres Dossiers natürlich darüber berichten! Kleiner Tipp zum Abschluss: Wer zudem ständig über FinTechs auf dem Laufenden bleiben will, sollte sich auch zum Finletter anmelden.
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